In den letzten Jahren hört man immer häufiger Begriffe wie VUCA (volatil, unsicher, komplex, ambivalent) und BANI (brüchig, ängstlich, nicht-linear, unbegreiflich). Sie werden benutzt, um die zunehmende Komplexität unserer Welt zu beschreiben.
Doch ist die Welt tatsächlich komplexer geworden, oder erscheint sie uns nur so aufgrund der Fülle an Informations- und Kommunikationsmitteln, die uns heute zur Verfügung stehen?
Was spricht für eine Zunahme der Komplexität?
Ein Punkt ist sicherlich die zunehmende Globalisierung bzw. Vernetzung unserer Welt. Globaler Handel, globale Mobilität und weltweite Kommunikationssysteme haben die Abhängigkeiten zwischen Ländern, Unternehmen und Individuen deutlich gesteigert. Lokale oder regionale Ereignisse können jetzt globale Auswirkungen haben. Dies führt dazu, dass lokale Ereignisse oft globale Auswirkungen haben können, wie beispielsweise ein Containerschiff, welches im Suezkanal festhängt und seine Ladung nicht bzw. verspätet an den Zielort bringt.
Aber auch die technischen Entwicklungen, vor allem im Bereich der Digitalisierung, haben unsere Lebens- und Arbeitswelt grundlegend verändert. Die rasanten Entwicklungen und die immer kürzer werdenden Entwicklungszeiten, z.B. in den Bereichen KI, Smart Home oder Internet of Things führen dazu, dass sich Geschäftsmodelle, Arbeitsprozesse, aber auch die sozialen Interaktionen ständig verändern und anpassen müssen.
Ein weiterer Punkt ist die zunehmende Informationsflut. Die Menge an verfügbaren Informationen hat exponentiell zugenommen. Dies macht es schwieriger, relevante von irrelevanten Informationen zu unterscheiden und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Was spricht gegen eine Zunahme der Komplexität?
Hier kommt der Faktor Mensch bzw. die Psychologie in Spiel. Die Vielzahl an Kommunikations- und Informationsmitteln können einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Welt ausüben und diese verzerren. Wir bekommen heute so viele Informationen und Eindrücke aus der ganzen Welt in Echtzeit vermittelt, dass allein die Menge an Informationen den Eindruck vermitteln kann, dass die Welt immer komplexer wird.
Historisch betrachtet könnte man auch augmentieren, dass für das damalige Wissen und die damaligen Möglichkeiten z.B. die industrielle Revolution eine äußerst komplexe Zeit war. Auch die beiden Weltkriege haben die Sicht auf die Welt und die Welt für die Menschen komplexer, unsicherer und unbestimmter gemacht.
Vielleicht ist auch die Tatsache, dass wir uns gerade in einem Anpassungsprozess an die neuen Bedingungen befinden, ein Grund dafür, dass wir die Welt als komplexer ansehen. „Früher war es einfacher…“ als Sinnbild dafür, dass im Rückblick alles viel einfacher erscheint als es in der direkten Situation vielleicht tatsächlich war,
Und, ist die Welt jetzt komplexer?
Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte: Aufgrund der globalen Vernetzung und der technischen Fortschritte hat sich, systemisch gesprochen, das System Welt, auf das wir blicken können und in dem wir uns bewegen deutlich vergrößert. Wir sehen, kennen und agieren jetzt mit deutlich mehr Elementen als früher, und die Teile, die wir nicht kennen, die aber Einfluss nehmen sind ebenfalls mehr geworden. Durch die wachsende Vernetzung haben Veränderungen weitreichendere Einflüsse auf das ganze System und machen die (Wahrnehmung der) Vorhersagbarkeit entsprechend schwieriger.